|     Anton von   Werner (1843-1915) war einer der angesehensten Historienmaler seiner Zeit.   Sein Schlüsselerlebnis war der deutsch-französische Krieg 1870, an dem   er als Kriegszeichner teilnahm.     Noch 25   Jahre später zehrte seine Kunst von diesen Eindrücken. Es sind trocken   registrierende, sachlich gemalte Berichte und Porträts der   hohen Generalität von dokumentarischem Wert.     Der in der   Öffentlichkeit ebenso gefeierte wie verlästerte Name Anton von Werners steht   vor allem in Verbindung mit seinem Hauptbild der „Kaiserproklamation in   Versailles".     Neben   seiner umfangreichen Produktion von Uniform- und Trachtenstudien   entwickelte er eine umfassende Lehrtätigkeit.     Seit   1875 war er Direktor der Königlich akademischen Hochschule für die   bildenden Künste in Berlin, war Leiter eines Meisterateliers und langjähriger   Vorsitzender des Vereins Berliner Künstler.     Anton von   Werner gehörte neun Akademien als Ehrenmitglied an, war Träger des   Ordens Pour le Mérite.       Anton von Werner, Im Etappenquartier vor Paris (24.   Oktober 1870/1894)    Diese   Gemälde wurde 1894 vollendet und im selben Jahr von der Nationalgalerie   in Berlin gekauft (erstaunlicherweise war es das erste Bild Werners, das die   Nationalgalerie erwarb). Die Skizze, auf der sein Gemälde basierte, war   jedoch 24 Jahre zuvor angefertigt worden, nämlich am 24. Oktober 1870, als   der Künstler den preußischen Generalstabschef Helmuth von Moltke (1800-1891)   und sein Gefolge durch das besetzte Frankreich begleitete. Das fertige Werk   zeigt deutsche Truppen bei der Einquartierung im Château de Brunoy außerhalb   von Paris im Deutsch-Französischen Krieg. Zwar dokumentiert Werner jedes   Detail der Szene und des Schauplatzes – bis hin zur unsachgemäß reparierten   Stiefelsohle rechts. Doch sein Hauptziel ist die Betonung des Gegensatzes zwischen   den energischen, rotbackigen Truppen mit ihren praktischen, dreckigen   Stiefeln und dem luxuriösen, unmännlichen Innenraum, den sie als zeitweilige   Unterkunft requiriert haben. Dieser Kontrast wird nicht zuletzt durch Werners   Farbpalette vermittelt – die Soldaten, in blauen Uniformen mit roten Paspeln,   sind in dunklen Primärfarben ausgeführt und heben sich somit ab von dem in   Pastellfarben überfluteten Interieur, das vom warmen Gelb vergoldeter   Oberflächen beherrscht wird. Werner scheint eine deutsche Kulturüberlegenheit   gegenüber den Franzosen nahe zu legen. Beispielsweise haben die Soldaten   nicht nach uraltem Brauch die verfügbaren Möbel klein gehauen, um ein Feuer   zu machen und sich am Feind zu rächen; stattdessen haben sie sich die Zeit   genommen, Holz auf dem Gelände der Villa zu sammeln, das durch das Fenster   hinten zu sehen ist. Und während die Soldaten verdreckt und zerknittert   aussehen, sind sie nicht unbedingt grobschlächtig. Tatsächlich verfügen sie   über genug solide deutsche Bildung, um Klavier zu spielen und in einem   spontanen Konzert ein Lied anzustimmen. (Werners Notizen zufolge sangen sie   Franz Schuberts Vertonung von Heinrich Heines Gedicht „Das Meer erglänzte   weit hinaus“, das, wie er hinzufügte, damals bei allen Militärkapellen sehr beliebt   war). Diese Geschichtsstunde wäre an den deutschen Betrachtern des Gemäldes   von 1894 nicht verloren gewesen. Nichtsdestoweniger wäre es falsch, Werners   politische Einstellung als illiberal oder chauvinistisch darzustellen. Er   brauchte den Feind nicht verachtenswert erscheinen lassen: Außer der   Concierge der Villa und ihrer Tochter, die augenscheinlich keine der Härten   erleiden mussten, die zur selben Zeit der Pariser Bevölkerung zugefügt   wurden, sind die Franzosen einfach von der Bildfläche verschwunden. Die   gutmütige Stimmung ist noch verstärkt durch die kunstvolle Uhr und Vasen auf   dem Kaminsims – allein ihr Vorhandensein legt nahe, dass keine Plünderungen   durch die Besatzungstruppen stattfanden. Diese Motiventscheidungen machen das   Gemälde noch dramatischer und gekünstelter, sie untergraben dessen scheinbar   objektive Virtuosität. Welche Schlussfolgerungen lassen sich daraus ziehen?   Einerseits mag allein die Tatsache, dass ein patriotisches Gemälde dieser Art   in den 1890er Jahren eine solche Beliebtheit erlangte, darauf hindeuten, dass   bis zur Jahrhundertwende der von Friedrich Nietzsche nach 1871   so vehement kritisierte Chauvinismus sich zu etwas entwickelt hatte, was,   wenn auch nicht großzügiger gegenüber der französischen Opferrolle oder   entschuldigend hinsichtlich deutscher Brutalität, so doch zumindest harmloser   war. Bezeichnenderweise fanden zeitgenössische Betrachter, wenn sie Werners   Darstellung der Soldaten kommentierten, die respektlos auf den Möbeln eines   großartigen französischen Châteaus lümmelten, diesen Aspekt eher amüsant,   nicht beleidigend. Andererseits mag eine solche öffentliche Reaktion auch die   philisterhafte Selbstgefälligkeit widerspiegeln, die Nietzsche ebenfalls als   charakteristisch für die deutsche Gesellschaft nach der Reichsgründung   identifizierte.     (Quelle:   Internet - DGDB   Bilder - Politik I: Reichsgründung)          |